Frontex ist die Agentur der EU für Grenz- und Küstenschutz. Sie wurde 2004 gegründet, um sowohl die EU-Grenzen als auch Geflüchtete und Migrant*innen zu schützen, die versuchen, sie zu überqueren. Auf ihrer Website Frontex an, dass ihre Mission darin besteht, "eine sichere und gut funktionierende Außengrenze zu gewährleisten", dass sie "hohen ethischen Standards" folgen und dass "Menschen im Mittelpunkt der Tätigkeit der Agentur stehen" und sie an “europäischen Werte” glauben. Die Organisation wird von der EU und den Schengen-Staaten finanziert und ihr Budget erhöht sich stetig. Im Jahr 2021 steuerten die EU und die assoziierten Schengen-Länder 543.521.620€ bei. Im Moment arbeiten etwa 1000 Menschen bei Frontex, aber die Agentur plant, diese Zahl bis 2027 auf 10.000 zu erhöhen.
In den letzten Jahren ist Frontex zunehmend in den Mittelpunkt der internationalen Kritik geraten. Journalist*innen von z.B. SPIEGEL, Lighthouse Reports und "Report Mainz" haben berichtet, dass Frontex-Beamt*innen an illegalen Pushbacks von Migrant*innen an den EU-Außengrenzen beteiligt waren. Pushbacks sind Fälle, in denen Flüchtlingsboote EU-Gewässer erreicht haben, aber anstatt gerettet oder in einen sicheren Hafen geleitet zu werden, schleppen EU-Grenzpatrouillen sie zurück in internationale Gewässer. Dies verstößt gegen das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und die Europäische Menschenrechtskonvention und ist daher illegal.
Laut der Menschenrechtsorganisation Mare Liberum fanden im Jahr 2020 allein in der Ägäis 312 illegale Pushbacks statt, bei denen die EU-Behörden 9.798 Menschen in Länder zurückschickten, die oft nachweislich nicht sicher für sie sind. Frontex-Beamt*innen haben zumindest einige dieser illegalen Aktivitäten beobachtet oder sogar daran teilgenommen. Einem Bericht zufolge hat ein Frontex-Flugzeug in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2020 beobachtet, wie griechische Grenzpatrouillen ein Flüchtlingsboot mit rund 30 Personen illegal aus griechischen in türkische Gewässer geschleppt haben.
Frontex-Exekutivdirektor Fabrice Leggeri ist gesetzlich verpflichtet, diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu melden und eine Mission abzubrechen, wenn sie Menschenrechtsverletzungen beinhaltet. Dies hat er jedoch nicht getan. Wegen dieser Vorfälle hat sich ein Team von Anwält*innen bereit erklärt, Frontex rechtlich zu zwingen, illegale Missionen in der Ägäis zu unterlassen, wenn nötig vor dem Europäischen Gerichtshof. Einer von ihnen, Omer Shatz, erklärte mimycri, warum es trotz internationaler Gesetze, die das Asylrecht regeln, zu illegalen Pushbacks an den EU-Grenzen kommen konnte:
„Bei den Menschenrechten geht es um die Verantwortung des Staates, im Gegensatz zur individuellen Verantwortung. Opfer sind reale Personen, aber Staaten sind abstrakte Gebilde. Das Verhalten und insbesondere die Einhaltung der Menschenrechtsverpflichtung von Staaten wird nicht durch die Sanktionen beeinflusst, die Gerichte im Falle von Verstößen verhängen, wie es bei Einzelpersonen der Fall ist. Stattdessen hängt die Einhaltung des Gesetzes davon ab, inwieweit die Staaten und im weiteren Sinne auch die EU an das Gesetz glauben. Es scheint, dass Europa aufgehört hat, sich wirklich an das liberale Ethos der Menschenrechte zu halten: das Recht eines jeden Menschen, unabhängig von seinem rechtlichen Status oder seiner Nationalität, Rechte zu haben.“
Was wir tun können, um dabei zu helfen, die Situation zu verändern
Obwohl dies ein komplexes Problem ist, das letztendlich von der EU und internationalen Gremien gelöst werden muss, gibt es dennoch Dinge, die wir tun können, um zu helfen.
Erstens können wir uns informieren. Frontex operiert im Verborgenen und es hilft bereits, zu wissen, was sie tun, da es sie unter die Kontrolle der Öffentlichkeit bringt. Zum Beispiel gibt das Buch "Illegality Inc." von Ruben Andersson einen unglaublichen Einblick in die versteckten Operationen von Frontex. Webseiten wie Mare Liberum und Pro Asyl, die auf die Situation von Asylbewerber*innen aufmerksam machen, sind ebenfalls tolle Quellen, denen man folgen kann, um auf dem Laufenden zu bleiben.
Zweitens können wir andere Menschen anregen, sich zu engagieren. Postet auf Social Media, führt Gespräche mit Freunden und Familie, nehmt an Protesten und Demos teil, usw. Frontex muss wissen, dass sie beobachtet werden und dass sie nicht weiterhin an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sein können.
Drittens können wir Frontex direkt kontaktieren. Sie müssen wissen, dass die Menschen sich dessen bewusst sind, was im Mittelmeer passiert, und dafür Verantwortung übernehmen. Die allgemeinen Kontaktinformationen findet ihr hier. Menschen, die direkt von den Aktionen von Frontex betroffen sind, oder eine Person oder Partei, die sie vertritt, können hier auch eine formelle Beschwerde einreichen.
Viertens können wir Druck auf unsere Politiker*innen ausüben, damit sie diese Verstöße effektiver überwachen und bestrafen. Es dauert nicht lange, eine*n Abgeordnete*n im Europäischen Parlament zu kontaktieren und eure Bedenken mitzuteilen, aber wenn das genug Leute tun, werden sie die Probleme hoffentlich nicht ignorieren können. Findet eure*n Abgeordnete*n hier oder kontaktiert die EU hier.
Shatz betont, dass wir, wenn wir diese Situation wirklich ändern wollen, das allgemeine Narrativ rund um Migration ändern müssen. Und das kann nur gemeinsam erreicht werden:
„[Wir brauchen einen] Paradigmenwechsel, beginnend mit Bildung und Politik. Anstatt populistische Annahmen zu akzeptieren, dass Migration "ein Problem" ist, das durch Diskriminierung, Kriminalisierung, Ablehnung, Abschiebung und letztlich Ausrottung "gemanagt" werden muss - eine Alternative zum Chauvinismus vorzuschlagen, indem man ein anderes Wertegerüst schafft. Vögel wandern zu jeder Jahreszeit. Niemand versucht, sie zu managen.“
Die erste Gelegenheit Frontex zu konfrontieren ist schon hier! Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik organisiert ein Gespräch unter dem Titel: “Die Rolle von Frontex in der europäischen Migrationspolitik” . Frontex Director Leggeri wird einen Vortrag halten und danach die Fragen des Publikums beantworten.
Wann? 5. May, 08:00 - 09:30 Uhr (Berliner Zeit)
Wer kann teilnehmen? Alle!
Wo? Online. Finde die Veranstaltungsbeschreibung und Anmeldung hier.
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