Ich sitze in einem Café in Berlin Friedrichshain und betrachte meine kleine rot-grüne Pouch von mimycri. Ich drehe sie im Licht und es werden Schrammen und Kratzer sichtbar. Wenn ich meine Nase dicht daran halte, kann ich einen leichten Geruch von Meerwasser wahrnehmen. Auf dem Etikett im Inneren sehe ich, dass sie von Abid genäht wurde und die Boote, aus denen er sie nähte von der Insel Chios stammen. Die mimycri Tasche in meinen Händen ist das letzte Stück auf der Reise von mimycri.
Zuhören und Lernen
Das erste Mal hörte ich von mimycri von einer Freundin. Sie erzählte mir davon, dass sie selbst auf Chios und Lesbos half, was sie alles sah, was sie tat und von den Menschen, die sie traf. Unter diesen Menschen waren auch Vera und Nora und so erzählte sie mir von deren Idee mimycri zu gründen, die Strände zu reinigen, Jobs zu bieten, zu recyclen, Geschichten zu erzählen, die sonst so leicht verloren gehen. Ich kannte bereits viele Geschichten von Freunden und Bekannten, die selbst vor Ort halfen oder Leute kannten, die halfen. Ich habe viele Geflüchtete getroffen und ihre Geschichten gehört. Aber dies war das erste Mal, dass ich von der Idee hörte etwas aus den Booten zu schaffen.
Zwei Dinge waren für mich klar, dass ich zum einen selbst eine Tasche von mimycri besitzen wollte und zum anderen ebenfalls gerne Teil der mimycri Familie sein wollte. Der Gedanke festigte sich, an dem Tag, an dem ich meine Tasche bekam. Tatsächlich rief mich im Rahmen einer kleinen Umfrage kurz vor Weihnachten, Vera an, erzählte mir von der Vision von mimycri und stellte mir einige Fragen und wir hatten ein langes Gespräch. Es ging unter Anderem darum, was ich und potentielle Kunden von mimycri über das momentane Geschehen im Mittelmeer wussten. Ich erinnere mich, dass ich ihr erzählte, dass ich der Meinung bin nicht genug zu wissen, was aktuell am Mittelmeer geschieht. Wie es der Zufall so will, bekam ich als Dank meine kleine rot-grüne Tasche. Das war wohl der Moment, an dem ich beschloss die Geschichte von mimycri mit erzählen zu wollen.
Geschichtenerzähler
Ich habe meine Tasche immer dabei, sie verwahrt alle wichtigen Dinge, die trocken und sicher bleiben sollen. Viele Leute fragen mich, woher ich sie habe, da sie ihnen gefalle und ich erzähle ihre Geschichte. Ich erzähle davon, dass sie aus alten Booten ist, in denen Geflüchtete übers Mittelmeer kamen. Nicht nur einmal wurde ich gefragt, ob ich es nicht makaber fände, die Schrammen zu sehen und zu wissen, dass die Möglichkeit besteht, dass nicht alle den Weg sicher ans Ufer schafften, die Kratzer vielleicht davon zeugen, dass das Boot zu früh kaputt ging. Meine Antwort ist immer gleich. „Ja, das ist mir bewusst und die Tasche erinnert mich daran.“
Diese Tasche ist viel mehr als nur ein altes Boot, sie ist ein Zeitzeuge, sie zeigt Perspektiven auf. Sie ist Recycling, ein Stück Geschichte und der Beweis, dass aus etwas Tragischem etwas Schönes und nützliches gemacht werden kann und sollte und auch, dass nicht vergessen werden darf, auch wenn es bequem ist.
Ich betrachte also die Schrammen, die Kratzer und rieche die Seeluft noch an ihr haften und erinnere mich jedes Mal aufs neue daran, für was sie steht, was sie erzählt.
Comments